Lassen sich Konflikte auch online klären?

Konflikte online lösen? Geht das? Coach Thorsten Visbal ist überzeugt davon. Im Podcast „Coaching to go“ habe ich mit Thorsten über unsere Erfahrungen gesprochen. Im Blogbeitrag lesen Sie die wichtigsten Punkte des Gespräches zusammen mit weiteren Tipps zum Umgang mit der Konfliktklärung online.

 

Thorsten Visbal führt zusammen mit Svenja Hofert die Teamworks GTQ GmbH. Seit Jahren hilft er Teams in Konfliktsituationen. Der Profi weiß, dass in der Coronakrise viele Konflikte unbearbeitet geblieben sind. Es dominiert mitunter der Glaubenssatz, dass dies vom Homeoffice aus nicht aufzuarbeiten ist. Schließlich sitzen sich die Menschen nicht gegenüber. Sie teilen nicht denselben Raum.

Diesem Glaubenssatz begegnet Coach Christa-Marie Münchow  in ihrer Arbeit mit Führungskräften und Teams auch immer wieder. Die Konsequenz daraus kann – meist nach einem zunächst subtil beginnenden Prozess – eine kühlere, manchmal gestaute Atmosphäre sein. Ein sich nicht mehr einander zuwenden. Dadurch sinkt die Kommunikationsqualität, wie auch das Wohlgefühl. Ungeklärte Konflikte behindern den FLOW und machen den Alltag anstrengend. Dennoch zögern sowohl Teammitglieder als auch die Führungskräfte, das online anzusprechen. Der Grund: „Das geht ja online nicht.“

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Alte Glaubenssätze
Thorsten Visbal aber sagt, es geht trotzdem. Es gibt keinen Grund, Dinge nicht anzugehen. Strikte Glaubenssätze müssen allerdings womöglich erst mal umformuliert werden, zum Beispiel von einem „Das geht nicht“ hin zu einem „Bestimmte Konflikte können auch online gelöst werden“. Es geht also auch um die innere Haltung. Diese gelockerte innere Haltung hilft meist schon, um nächste Schritte anzugehen.

Tipp Nr. 1

Überprüfen Sie doch einmal Ihre Glaubenssätze zum Thema und wählen dann einen veränderten Glaubenssatz aus. Dieser sollte Ihnen mehr Handlungspielraum ermöglichen.

Technikstress ein Problem
Die Profis wissen allerdings auch, dass sowohl Führungskräfte als auch Teammitglieder aufgrund der notwendigen Technik zusätzliche Aufgaben in der virtuellen Begegnung zu bewältigen haben. Zwischenzeitlich haben sich zwar die meisten daran gewöhnt, dennoch funktioniert die Technik nicht immer wie gewünscht. Dadurch entsteht Technikstress. Natürlich ein zusätzlicher Punkt, den es beim Vorgehen zu berücksichtigen gilt.

Thorsten Visbal moderiert online Klärungsprozesse im Team. Er trifft immer häufiger auf Teams, die ihre Kameras seit einigen Monaten nicht mehr anhatten. Sie wissen auch nicht um die genaue Nutzung der verschiedenen Tools. Mitunter entsteht darüber dann sogar Aggressivität, die aufgefangen werden darf, um eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Insgesamt hat sich natürlich auch die Rolle der moderierenden Coaches in Richtung Technik-Mentor erweitert. Doch auch viele Coaches selbst fühlen sich in Sachen Technik mitunter noch überfordert, so Christa-Marie Münchow.

Tipp Nr. 2

Wenn Sie selbst online Konflikte klären, sorgen Sie zunächst mit Humor und Geduld dafür, dass alle im Online-Meeting auch technisch gut ankommen und das alles, was Sie online technisch benutzen (z.B. interaktives Whiteboard) auch von allen gut beherrscht wird. Um Konflikte zu bearbeiten, braucht es einen sicheren Rahmen. Klären Sie auch vorher die Regeln z.B. „Bitte die Kamera an“. Sich gut sehen und hören können, ist die Basis für Verstehen. Das erst schafft die Grundlage für eine gute Arbeitsatmosphäre. Wenn Sie selbst im Konflikt emotional „mit drinstecken“, dann ist ein externer Moderator oder Coach eine gute Idee.

Ziel ist Linderung

Thorsten Visbal ist es in seiner Arbeit wichtig, in Konfliktsituationen auch online an Linderung zu arbeiten. Er verspricht also nicht, innerhalb weniger Stunden alles in Luft aufzulösen. Im Podcast „Coaching to go“ erklärt er, wie er online vorgeht. Er führt zunächst einmal Einzelgespräche mit jedem Teammitglied, das ins Coaching geht. Früher hat er dafür weite Reisen unternommen. Heute ist es ein Knopfdruck, und er ist in Verbindung. In den Einzelgesprächen hört Thorsten Visbal, was die Menschen bewegt und wie sie die Situation sehen. Er bittet sie, auf einer Skala von eins bis zehn einzuschätzen, wie groß die Konflikte sind oder wie die Stimmung im Team ist. Die Einzelgespräche wertet der Profi aus, bevor er später in Teamworkshops geht. Hier präsentiert er verschiedene Charts, aber auch Arbeitsthesen. Das Team überlegt, an welchen Thesen gearbeitet werden soll. In Breakout-Rooms tun sich dann kleinere Gruppen zusammen, um zu diskutieren. Die Aufgabe ist es, die These zu widerlegen oder zu bestätigen.

Tipp Nr. 3

An der Linderung zu arbeiten, ist eine nützliche innere Haltung, die Druck herausnimmt. Was Sie noch vom Profi mitnehmen können, ist zum Beispiel das Abfragen der Themen und die Bitte, die Stärke der Konflikte auf einer Skala von 1-10 einzuschätzen. Das geht z.B. anonym gut mit Mentimeter (https://www.mentimeter.com/) oder in MS Teams mit Forms. So haben Sie dann bereits Thesen, an denen Sie mit dem Team arbeiten können. Visualisierungen helfen grundsätzlich beim „sich verstehen“.

Online andere Bedürfnisse
Beide Coaches wissen, dass online andere Bedürfnisse da sind. So nimmt die Konzentration beispielsweise schneller ab. Die Konsequenz für Thorsten Visbal als Profi: Er arbeitet deshalb eher in Halbtages-Workshops statt in Tages-Workshops. Auf seinen Workshops schaut er dann gemeinsam mit dem Team, woran es hakt. Ist es das Teamverständnis, eine Dysfunktion des Vertrauens oder gibt es keine gemeinsamen Ziele? Nach zwei Monaten trifft er sich mit dem Team erneut.

Tipp Nr. 4:

Vom Profi können Sie mitnehmen, den Workshop beispielsweise die Themenbearbeitung lieber kürzer und dafür in mehreren Schritten zu machen. Zwischen den Terminen können auch schon Lösungen überdacht und angewendet werden.

 

Ein Jetzt statt ein Hier
In Teams gibt es immer Dynamiken aufgrund von Zugehörigkeit, Beziehung oder Einfluss, so der Coach. Die Teammitglieder verorten sich zueinander. Beziehung hat immer auch eine räumliche Komponente. So ist es bereits Teil der Dynamik, wer nimmt wo im Raum Platz und wer sitzt neben wem. Das spielt in Präsenz eine große Rolle. Online gibt es kein gemeinsames Hier, da die Menschen in unterschiedlichen Räumen sitzen. Es gibt nur ein Jetzt. Christa-Marie Münchow nutzt als Coach online verschiedene Möglichkeiten, um auch das abzubilden. Beispielsweise wird auf dem Whiteboard ein runder Tisch gemalt und gefragt, wer sich wo hinsetzen möchte. Das macht tatsächlich einen Unterschied im Gefühl der Beteiligten. Eine weitere gute Möglichkeit ist auch das Online-Systemboard (https://www.online-systembrett.com/), das intuitiv und einfach zu bedienen ist.

Es ist auch möglich, gemeinsam einen virtuellen Raum zu entwickeln, indem ein gemeinsamer Hintergrund verwendet wird. Dazu suchen sich die Teammitglieder aus mehreren Möglichkeiten ein Hintergrundbild für den Klärungsworkshop aus und laden dieses alle hoch. Das schafft gleich eine andere Atmosphäre, weil etwas Verbindendes erlebbar wird. Das hat noch einen weiteren Vorteil, weil dieser Raum neutral und noch nicht mit „negativen“ Vorerfahrungen emotional belegt ist. Dieser Hintergrund sollte dann auch nur für die Konfliktklärung genutzt werden.

Das geht auch mental, ohne Hintergrundbilder. Hierfür können die Teammitglieder sagen, wie sie sich ihren gemeinsamen Raum in ihrer Fantasie vorstellen. Sie schildern, wo vielleicht Licht hereinkommt, wie der Raum ausgestattet ist oder wo es später etwas zu essen gibt. Thorsten Visbal findet so etwas hilfreich. Allerdings würde er einen Workshop, in dem Konflikte geklärt werden sollen, nicht mit dieser Aufgabe beginnen. Hier würde er erst mal eine Frage zum Konflikt stellen.

Tipp Nr. 5

Fragen Sie sich, wie könnten Sie in dem virtuellen Workshop ein gemeinsames Raumerleben schaffen. Wichtig dabei ist, dass kein zusätzlicher Technikstress entsteht. Das Gespräch und die Begegnung und auch die Linderung des Konfliktes stehen im Vordergrund.

 

Noch mehr Tipps

Wie auch Humor bei Konfliktklärungen helfen kann? Das hören Sie in Folge 74 von „Coaching- to- go“. Klicken Sie hier und sichern Sie sich viele weitere Tipps.

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